Gemeinwohlorientiert, sozial und ökologisch: Nur so kann das nachhaltige und bezahlbare Bauen und Wohnen der Zukunft aussehen.
Ein Aufruf zum sofortigen Handeln!
Von gemeinwohlorientierten Bauträgern,
wohnpolitischen Initiativen und zivilgesellschaftlichen Gruppen
Seit Jahren stellen nicht nur Wissenschaftler*innen und Journalist*innen, sondern soziale Bewegungen, Verbände, Gewerkschaften, politische Parteien und selbst die Bundesregierung fest: „Die zugespitzte Wohnungsfrage ist DIE soziale Frage unserer Zeit.“ Trotzdem und trotz wachsender Kritik nimmt die Politik bisher keine veränderten Weichenstellungen vor.
Folgerichtig steigen die Mietpreise, Baukosten und damit auf längere Sicht auch die Immobilienpreise rasant weiter. Während der Markt weiterhin profitable Geschäfte im Handel mit Immobilien und Baugrund ermöglicht, erweist er sich als komplett untauglich, für die Bereitstellung einer adäquaten Anzahl dringend benötigter, dauerhaft bezahlbarer Wohnungen zu sorgen. So fallen viel mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung als neue gebaut werden, einst bezahlbare Wohnungen drohen für ihre Bewohner*innen unbezahlbar zu werden.
Nach Berechnungen des Mieterbundes stehen in Baden-Württemberg 50 000 Sozialwohnungen ca. 500 000 Haushalten gegenüber, die eine solche brauchen. Aufgrund stark gestiegener Zinsen und Baukosten kommt nun der ohnehin schon viel zu geringe Neubau von sozial geförderten Wohnungen praktisch zum Erliegen und die Umsetzung beispielhafter sozial-ökologischer Neubauprojekte (die zeigen, wie das Wohnen der Zukunft aussehen kann) ist mit viel zu hohen ökonomischen Risiken verbunden.
Die Architektenkammer Baden-Württemberg und die Internationale Bauausstellung IBA Stuttgart 2027 haben im Februar 2023 in einem Brandbrief (siehe unter (1) am Ende) die Richtung aufgezeigt, in die die Förderpraxis für den gemeinwohlorientierten Wohnungsbau auch aus unserer Sicht gehen muss.
Wir begrüßen als Unterzeichnende die jüngst vom neu gebildeten Bündnis „Notfallhilfe für sozialen Wohnungsbau – und sozialen Frieden“ aus IBA Stuttgart 2027, Architektenkammer Baden-Württemberg und Mieterbund Baden-Württemberg geforderten konkreten Maßnahmen, mit denen die Landesregierung der drohenden sozial- und wohnungspolitischen Katastrophe sofort vernünftige Förderschritte entgegen setzen kann und muss (siehe unter (2) am Ende).
Da ein solches Nothilfe-/Sofort-Programm die falschen Weichenstellungen nicht aufheben wird, fordern wir (wie auch das Bündnis „Notfallhilfe“) darüber hinaus die Entwicklung neuer, auf Dauer angelegter Förderprogramme, die die Wohnungskrise tatsächlich lösen können.
Diese müssen insbesondere zugeschnitten sein auf gemeinwohlorientierten Wohnungsbau in gemischten Quartieren, mit einer hohen Quote an sozial geförderten Wohnungen, mit ökologisch nachhaltigen und sozial innovativen Konzepten, die den Flächen- und Energieverbrauch senken helfen und gleichzeitig dauerhaft bezahlbare Mieten garantieren.
Folgende Förderelemente im Hinblick auf Bauen und neue Wohnkonzepte sind aus unserer Sicht unabdingbar und müssen von den betreffenden Akteuren schnellstens umgesetzt werden.
Die Landesregierung muss die Förderung des sozialen Wohnungsbaus dringend den ökologischen und sozialen Erfordernissen anpassen und erheblich ausweiten:
• Der vom Bündnis „Notfallhilfe für sozialen Wohnungsbau – und sozialen Frieden“ vorgeschlagene Rettungsschirm für den gemeinnützigen und sozialen Wohnungsbau mit den entsprechenden Sonderkreditkonditionen muss umgehend umgesetzt und zumindest so lange weitergeführt werden, bis sich unter Wirtschaftlichkeits- und Miethöhen-Gesichtspunkten wieder sinnvoll und gemeinwohlorientiert bauen lässt.
• Der Fördertopf für sozialen Wohnungsbau muss deutlich aufgestockt werden. Und zwar nicht nur für den Neubau, sondern auch für die Umwandlung bereits bestehender Wohnungen in Sozialwohnungen – so kann neben bezahlbaren Mieten auch Energie- und Ressourcenschonung erreicht werden.
• Die soziale Wohnraum-Förderung muss in Höhe der realisierbaren Baukosten erfolgen und Eigenkapitalnachweise müssen vereinfacht werden.
• Es braucht zusätzliche Förderprogramme, die den gesellschaftlichen Nutzen gemeinwohlorientierter Projekte nicht nur verbal anerkennen, sondern durch gezielte
Förderung auch honorieren.
• Diese Förderprogramme müssen auch neue gemeinschaftliche und ressourcenschonende
Wohntypologien abdecken und es braucht Programme für die Finanzierung von Gemeinschaftsräumen, die den individuellen Wohnraumbedarf durch gemeinschaftliches
Nutzen reduzieren und ressourcenschonendes Bauen und Wohnen ermöglichen.
Die Bundesregierung muss umgehend die Rahmenbedingungen erheblich verbessern:
• Die Neue Wohnungsgemeinnützigkeit muss endlich eingeführt werden und mit ihr die Bezuschussung sowie Steuererleichterungen für gemeinnützige Wohnbauakteure.
Die Kommunen müssen umgehend eigene Förderbausteine entwickeln.
Gerade in den Schwarmstädten wird um den Zuzug von Hochqualifizierten geworben, verbunden mit den daraus zu erwartenden Steuermehreinnahmen. Diese sind in Maßnahmen gegen Verdrängungsmechanismen gegenüber weniger Zahlungskräftigen zu investieren.
• Bauland (auch aus Landes- und Bundeseigentum) muss in kommunales Eigentum überführt und für gemeinwohlorientierte Träger mit sozialen, ökologischen, kulturellen, nicht-profitorientierten Zielen günstig bzw. in Erbbaurecht zur Verfügung gestellt werden, dauerhaft abgesichert durch Aufteilungsverbote, preislimitierte Vorkaufsrechte etc.
Grundstückspreise und Erbbauzinsen müssen sich dabei an den wirtschaftlichen Bedingungen einer
gemeinwohlorientierten Nutzung und Bezahlbarkeit von Wohnraum orientieren. Dabei müssen direkte finanzielle Ertragserwartungen der Kommune zurückstehen.
• Anschubfinanzierungen für gemeinwohlorientierte Projekte ab einer gewissen Größe müssen bereitgestellt werden.
• Kommunale (revolvierende) Sonderfonds müssen aufgelegt werden zur Unterstützung des Erwerbs von genossenschaftlichen Wohnanteilen, die auch Haushalten mit niedrigen Einkommen eine dauerhafte und bezahlbare Versorgung mit Wohnraum ermöglichen. Das Land muss Gelder aus diesen Sozialfonds unbürokratisch kombinierbar machen mit zinslosen oder stark zinsvergünstigten Darlehen zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen.
Neben den hier formulierten Forderungen im Hinblick auf Neubau und Wohnkonzepte sehen die
Unterzeichnenden einen ganzen Strauß von Forderungen im Hinblick auf Leerstand, auf
Verhinderung von Spekulation und Mietwucher, auf Zweckentfremdung u.a.m. Sie dürfen und
werden nicht unter den Tisch fallen, können hier aber nicht eigens Thema sein.
Wir fordern von den Verantwortlichen in Ländern, Kommunen und Bund:
• Stellen Sie die Weichen in die von den Unterzeichnenden aufgezeigte Richtung!
• Es braucht spätestens jetzt in dieser zugespitzten Krise einen Schwerpunkt auf Förderung der
Gemeinwohlorientierung und neuer sozial-ökologischer Konzepte!
• Die zur Verfügung gestellten Mittel für einen so gefassten Wohnungsbaus müssen drastisch
erhöht werden!
• Fixieren Sie sich nicht länger hauptsächlich auf Marktmechanismen!
• Sparen Sie nicht länger zu Lasten des sozial und ökologisch Notwendigen!
• Entwickeln Sie stattdessen eine Steuerpolitik, die große Vermögen, Erbschaften und (Über-)Gewinne für den sozial-ökologischen Umbau heranzieht und angemessen besteuert!
Dieser Aufruf wird Stand 29.01.2024 unterstützt von folgenden gemeinwohlorientierten Bauträgern, Wohnprojekten, wohnpolitischen Initiativen und zivilgesellschaftlichen Gruppen:
• Neustart: solidarisch leben + wohnen eG (Tübingen)
• Kesselhof (Stuttgart)
• Initiative Schoettle Areal (Stuttgart)
• Neuer Norden e.V. (Stuttgart)
• Gewerbekultur Pforzheim eG
• Pro … Gemeinsam bauen und leben eG (Stuttgart)
• Münze 13 (Tübingen)
• Wohnraumbündnis Tübingen
• Dachgenossenschaft Wohnen für Alle eG (Freiburg)
• WOMA, Wohnen mit Anschluss (Ostfildern)
• LebensOrt (Rottweil)
• Pavillon für Alle gem. e.V. (Freiburg)
• nestbau AG (Tübingen)
• 4-Häuser-Projekt (Tübingen)
• tetrateam (Berlin)
• gemeinsam27 eG (Stuttgart)
• Diakonieverband (Reutlingen)
• Liga der Freien Wohlfahrtspflege des Landkreises Reutlingen
• Bauverein „Wem gehört die Stadt?“ e.V. (Freiburg)
• Initiative ÖkoAlbDorf eG (Herrenberg)
• Wohngenossenschaft Esche eG (Freiburg)
• GENOVA Wohngenossenschaft Vauban eG (Freiburg)
• Initiativgruppe zusammen wohnen (Metzingen)
• Solidarisches Kollektiv OBG (Heidelberg)
• Fabrik Heslach e.V. (Stuttgart)
• Mika, MieterInneninitiative Karlsruhe eG
• Velohaven (Freiburg)
• Alternatives Wohnen – AlWo1 (Esslingen)
• RemstalLeben eG (Schorndorf)
• IG Gemeinschaftlich Wohnen Reutlingen
• Wohnprojekt Schellingstraße (Tübingen)
• Fanclub Kollektives Eigenheim (Reutlingen)
• Öko.See.Dorf eG (Markdorf)
• Hausprojekt Fruchtschranne GmbH (Tübingen)
• Wohnprojekt Klebun e.V. (Ravensburg)
• Raumkante e.V. (Heidelberg)
• Collegium Academicum e.V. (Heidelberg)
• Hegelstraße 7, Wohnprojekt (Tübingen)
• Wohnprojekt Lu15 (Tübingen)
• Phase 3 (Tübingen)
• Wohnprojekt Bläsikelter GmbH (Tübingen)
• Deutscher Mieterbund Reutlingen-Tübingen
• Unterjesingen.gut.leben – in jedem Alter eG
Wir sammeln weitere Unterzeichnende, bei Interesse oder Fragen bitte wenden an:
Neustart: solidarisch wohnen + leben eG (Tübingen)
verwaltung@neustart-solewo.de / https://neustart-solewo.de/